Neue Regeln für WP durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz
Liebe Leserin, Lieber Leser,
der Bundestag hat am 20. Mai 21 das Finanzmarktintegritätsstärkungs-gesetz (FISG) beschlossen, der Bundesrat stimmte dem Gesetz am 28. Mai 2021 zu. Damit fehlen nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten und die Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt, um dann in Kraft treten zu können.
Die Unterschrift wird diesmal nicht so lange auf sich warten lassen, wie im Jahr 2016 beim APAReG. Damals prüfte das Bundespräsidialamt über drei Monate lang (von Mitte Dez. 2015 bis Ende März 2016). Unser damaliger Hinweis an das Bundespräsidialamt auf die Verfassungswidrigkeit wegen der fehlenden Fachaufsicht bei der APAS, mit zwei Gutachten untermauert, bereitete den Juristen sehr viel Kopfzerbrechen. Warum Präsident Gauck dann doch unterschrieben hat, ist für uns auch heute noch ein Rätsel.
Im Folgenden wird in der Anlage in einer Übersicht dargestellt, was sich im Bereich der gesetzlichen Vorschriften für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer ändern wird. Diese Zusammenstellung basiert zum Teil auf einer Arbeit der Wirtschaftsprüferkammer.
Wir danken der Berichterstatterin der SPD für Ihre Gesprächsbereitschaft. In mehreren Gesprächen und schriftlich durften wir Frau Cansel Kiziltepe (siehe im nächsten Bild aus dem Bundestag, in der Sie das FISG erläutert) und Ihren Mitarbeitern die Wünsche der mittelständischen Wirtschaftsprüfung zur FISG-Reform vorstellen. Wir danken Ihr für Ihren Einsatz für die mittelständische Wirtschaftsprüfung.
Die WP/vBP-FISG-Änderungen lesen Sie in der Anlage. Zwei wichtige Punkte greifen wir heraus.
Für gesetzliche Abschlussprüfungen gilt Folgendes: Die unterschiedlichen Haftungshöchstgrenzen für einfach fahrlässige Pflichtverletzungen werden in § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB wie folgt festgelegt:
- Bei Kapitalgesellschaften, die kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d HGB sind (§ 316a Satz 2 Nr. 1 HGB): 16 Mio. Euro
- Bei nicht kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften, die CRR-Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen im Sinne des § 316a Satz 2 Nr. 2 oder 3 HGB sind: 4 Mio. Euro
- Bei sonstigen prüfungspflichtigen Kapitalgesellschaften: 1,5 Mio. Euro.
Zur Haftung für grobe Fahrlässigkeit des Abschlussprüfers wird in § 323 Abs. 2 Satz 2 bis 4 HGB weiter differenziert:
- Bei Kapitalgesellschaften, die kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d HGB sind (§ 316a Satz 2 Nr. 1 HGB), haftet der Abschlussprüfer bei grober Fahrlässigkeit unbeschränkt (wie bei Vorsatz).
- Bei nicht kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften, die CRR-Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen im Sinne des § 316a Satz 2 Nr. 2 oder 3 HGB sind, greift bei grober Fahrlässigkeit eine Haftungsbegrenzung i. H. v. 32 Mio. Euro.
- Bei sonstigen prüfungspflichtigen Kapitalgesellschaften greift bei grober Fahrlässigkeit eine Haftungsbegrenzung i. H. v. 12 Mio. Euro. (das Achtfache der einfachen Fahrlässigkeit).
Keine Haftungsänderungen bei Nicht-Abschlussprüfern
Wichtig: Für Berufsangehörige, die keine Abschlussprüfungen durchführen, ändert sich durch die Neuregelungen in § 323 Abs. 2 HGB nichts. Die Mindestversicherungssumme beträgt unverändert 1 Mio. Euro (vgl. § 54 Abs. 4 WPO. Grund: Die berufsrechtliche Mindestversicherungssumme wurde von den Haftsummen nach § 323 Abs. 2 HGB abgekoppelt und eigenständig geregelt (§ 54 Abs. 4 Satz 1 WPO). In der Höhe bleibt sie unverändert (1 Mio. Euro). Damit ist auch die Haftungsbeschränkung durch AAB (§ 54a Abs. 1 Nr. 2 WPO) unverändert bei Versicherungsschutz i. H. v. 4 Mio. Euro möglich.
Die Wirtschaftsprüferkammer sucht anscheinend bei EY noch das Bauernopfer
Der zum FISG ergangenen Pressemeldung der Wirtschaftsprüferkammer am 21.05.: „Das FISG geht in der Abschlussprüfung am selbstgesteckten Ziel weitgehend vorbei“ widerspricht wp.net besonders bei folgender Aussage:
„Die bisher bekannten Hinweise aus der Aufarbeitung des Falles Wirecard deuten auf individuelle Fehler des Abschlussprüfers hin, nicht auf systemische Unzulänglichkeiten, wohingegen das FISG in Bezug auf die Abschlussprüfer nur systemische Antworten gibt. Problem und vermeintliche Lösung passen also nicht zusammen."
Aussagen von EY-Mitarbeitern im Untersuchungsausschuss deuten für uns auf Systemversagen hin
Der deutsche Ex-EY-Chef, der Leiter der Internen EY-Qualitätssicherung, der verantwortliche EY-Wirtschaftsprüfer und der letzte EY-Prüfungsleiter von Wirecard haben im PUA Wirecard ausgesagt.
Zur Wirksamkeit der internen Nachschau und zur Umsetzung der auftragsbegleitenden Qualitätssicherung hat der Chef der internen Qualitätssicherung, Dr. Christian Orth, trotz zwischenzeitlicher Entbindung von der Verschwiegenheit nichts berichtet. Nach der Zeugeneinvernahme des EY-Prüfungsleiters bei Wirecard haben wir den Eindruck gewonnen, dass dem Prüfungsleiter die Rolle des Bauernopfers zugeteilt werden soll.
Seitens des verantwortlichen Abschlussprüfers wurden z.B. 2018 - vor Ende der Aufklärung - die Forsensiker von der Prüfung abgezogen. Kurz danach erteilte er das uneingeschränkte Testat. Sollte er die Testats-Entscheidung ohne Hinzuziehung der Risikoabteilung getroffen haben, dann läge für uns auch hier sehr wohl ein massiver Systemmangel vor.
Hat sich die Risikoabteilung mit der Entscheidung des Wirtschaftsprüfers einverstanden erklärt, dann hat nach unserer Sicht die Risikoabteilung versagt. Also wieder ein Systemmangel. Das Qualitätssicherungssystem Abschlussprüfung bei EY gewährleistet für uns nicht die Einhaltung der gesetzlichen Berufspflichten (§ 43 WPO).
Hier sind insbesondere die Grundsätze der Unabhängigkeit bei der Prüfung und der Unparteilichkeit bei der Berichterstattung zu nennen. Die Beurteilung der Drittpartnergeschäfte (TPA) von Wirecard durch EY ist nachweislich falsch. Wirecard verfügte nie über ein reales TPA. Diese Drittpartnergeschäfte gab es nicht, es war ein potemkinsches Dorf. Aus der Presse kann man erfahren, dass auch die Prüfungsberichte nicht dem Anspruch an ein Risikomandats gerecht werden. Die Aussage von Herrn Dr. Orth, dass der Wirtschaftsprüfer den Aussagen des Vorstands vertrauen muss, verstößt für uns gegen die seit 2016 in der WPO verankerten kritischen Grundhaltung.
Bärendienst dem WP-Berufsstand erwiesen
Sowohl der auftragsbegleitende Qualitätssicherer, als auch die Berichtskritiker haben die Prüfungen und die Berichterstattungen jedes Jahr genehmigt. Die risikoorientierte Nachschau hat anscheinend nie etwas zu beanstanden gehabt. Was muss noch passieren, um Systemfehler zu erkennen?
Hinweise auf individuelle Fehler des Abschlussprüfers oder des Prüfungsteams werden in der Pressemitteilung der WPK nicht genannt. Schade!
Ergebnis: Mit dieser Pressemeldung hat der Präsident der Wirtschaftsprüferkammer dem WP-Berufsstand einen Bärendienst erwiesen. wp.net distanziert sich von dieser Pressemeldung.
Das Seminar am 20. Mai zur Vermeidung von Aufstellungs- und Haftungsrisiken ab 2021 überzeugte eine sehr große Zahl von Berufsangehörigen. Wir danken den rund 70 Teilnehmern am Online-Seminar für ihre Teilnahme. Wir sprechen noch mit unserem Referenten Achim Dörner über eine dritte Auflage des 2 Stunden-Seminar. Wegen vieler Fragen verlängerte der Referent beim letzten Meeting seinen Vortrag um eine halbe Stunde.
Die deutschen Jungs können noch Fußball, jedenfalls bezogen auf Europa. Gestern, 06.06.2021, schafften die deutschen U21-Kicker in einem hochklassigen Spiel gegen Portugal das Unmögliche und wurden mit dem 1:0 Europameister. Herzlichen Glückwunsch!
Michael Gschrei