Jahresrückblick 2021
Liebe Leserin, Lieber Leser,
2021 war ein besonderes Jahr. Zum zweiten Mal hintereinander bestimmte die Corona-Pandemie weltweit unser Leben.
Bei den Suchbegriffen bei Google belegte 2021 belegte die Fußball-Europameisterschaft den Spitzenplatz vor Corona. Aus deutscher Sicht gab es zahlreiche Negativschlagzeilen, zumal sich Deutschland mit einem 0:2 gegen England schon im Achtelfinale verabschiedete. Den Titel holte sich Italien.
Die Schlagzeilen bei Google beherrschte 2021 die Bundestagswahl. Das Hickhack zwischen Söder und Laschet bei der CDU/CSU-Kanzlerkandidatenkür hatte vielleicht großen Unterhaltungswert. Spätestens nach der Stimmenauszählung war klar, dass keine C-Partei Vorteile davon hatte. Die Wählerabwanderung von den C-Parteien hin in Richtung Ampelparteien war enorm. Wir erkennen: Allein-Regierungen sind in fortschrittlichen Demokratien bei den Wählern sehr unbeliebt geworden. Nach 16 Jahren CDU-Kanzlerschaft fehlten der CDU/CSU diesmal gleich zwei Koalitionspartner. Kohl und Merkel kamen noch mit einem Partner aus.
Steingart´s Morning Briefing vom 16.12.21 beschrieb den C-Parteien-Absturz mit den Worten: „Die CDU hat ihren Erstwohnsitz, die Macht, verloren. Und ihren Zweitwohnsitz, da wo die Werte und Wünsche und auch die Visionen zu Hause sind, hat sie in den letzten Jahren kaum mehr besucht.“
Verlassen wir die große Politik, kümmern wir uns um uns selbst und damit um die mittelständische und freiberufliche Wirtschaftsprüfung in Deutschland. Wir berichten aus den Arbeitsprogrammen und von unseren Leistungen in den letzten 12 Monaten.
Folgende zehn Themen haben uns 2021 besonders bewegt:
- Ein positiver Beitrag der Corona-Pandemie – Online-Mitglieder-Meetings wurden Standard
- Forschungsergebnisse von Prof. Dr. Lenz, Dr. Loscher und Dr. Löhlein geben wp.net den „akademischen Ritterschlag"
- Mitgliederversammlung 2021: Vorstand berichtet über starkes Mitgliederwachstum 2021
- Erfolgreiche Umstellung des Mailversands
- PR1MUS-Fortbildung bleibt der Wirtschaftsprüfung und wp.net erhalten
- Streit um die „Promille-Qualitätskontrollen“ bei den Big4&Friends eskalierte gleich zu Jahresanfang
- Berichterstattung über Ergebnisse des Untersuchungsausschusses (PUA) Wirecard spalten den WP-Berufsstand
- wp.net- Arbeitskreisergebnisse können sich sehen lassen
- Herzliches Dankeschön an Unterstützer von wp.net
- WP Mittelstand AG – eine neue Initiative des WP-Mittelstands zur Prüferwende
Am 7. Januar starteten wir mit dem ersten Online-Mitgliedermeeting. Ein Auftakt mit Folgen für die wp.net-Geschäftsführung. Aus dem „Testmeeting“ im Januar wurde eine feste monatliche Einrichtung. Nach 12 Monaten wissen wir: Diese monatlichen Mitgliedermeetings sind aus dem Mitgliederprogramm nicht mehr wegzudenken. Die rund 40 bis 70 Teilnehmer jedes Mal interpretieren wir auch als Dankeschön an die wp.net-Geschäftsführung.
Am 26.02. fand das zweite virtuelle Treffen statt. Unser Mitglied, Frau Jeanette Lichtenstern, stellte Ihre Software für die digitale Saldenbestätigungsaktion vor (www.yi-flow.com). Weitere Themen waren u.a. Berichte aus der WPK-Arbeit, insbesondere die gescheiterten Wahlprogramm-Umsetzungen, die sog. Wahlversprecher 2018. Auch die NWB Datenbank stellten wir vor, weil die Akzeptanz (Anmeldungen bei NWB) nicht unsere Erwartungen entsprach. Der WP Praxis-Aufsatz von Prof. Stuhr/Gschrei zur Qualitätskontrolle bei den großen und kleinen Praxen wurde besprochen.
Das März-Treffen war geprägt von der Unterrichtung über die wp.net-Arbeitskreis-Arbeit und über die FISG-Reformen. Diese Änderungen aus dem Hause des Finanzministers waren die Folge der durch den Untersuchungsausschuss Wirecard bekanntgewordenen Verstöße von EY gegen die Berufspflichten bei ihren 10 Jahre dauernden Wirecard-Prüfungen.
Im April-Meeting wurden u.a. das Cyberrisiko thematisiert. Unser Versicherungsmakler stellte seine Dienstleistungen vor.
Mit vielen weiteren Themen (z.B. Geldwäsche, Nutzung unserer Datenbanken, usw.) ging es monatlich bis Ende 2021 so weiter. Wir werden 2022 mit unseren virtuellen monatlichen Meetings weitermachen.
Einen größeren Platz in der Berichterstattung beanspruchte der „akademische Ritterschlag für wp.net“. Den Anstoß gab die Veröffentlichung der Forschungsarbeiten von Prof. Dr. Hansrudi Lenz, Dr. Georg Loscher und Dr. Lukas Löhlein. Die drei Wissenschaftler untersuchten die Reaktionen zweier deutscher Berufsverbände auf die Einführung der Prüfungsstandards und der anschließenden Qualitätskontrolle. Der Aufsatz wurde in der angesehenen European Accounting Review veröffentlicht. („Dual Roles and Blurred Identities: A Framing Contest between Professional Associations in a Local Strategic Action Field”). Wir haben diesen Aufsatz ins Deutsche übersetzt mit „Reaktionen zweier deutscher Berufsverbände auf die Standardsetzung im Prüfungswesen“. Der Bericht wurde drei Zeitabschnitte gegliedert:
- Der 1. Teil untersuchte die berufsständischen Konflikte in der dt. Wirtschaftsprüfung in der Zeit von 1998 bis 2005.
- Der Teil 2 der Prof. Lenz & Co-Studie befasste sich mit den Leistungen von wp.net in der Zeit von seiner Gründung bis zur ersten Briefwahl 2011.
- Der 3. Teil analysiert die weitere Verschärfung der beruflichen Aufspaltung von 2012 bis 2018.
wp.net, eine einmalige Erfolgsgeschichte in der Berufspolitik
Die neuen Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen der Aktivitäten mittelständischer WP-Berufsverbände weltweit sieht wp.net als eine einmalige Erfolgsgeschichte. Warum? Nach den bisherigen Forschungsergebnissen sind über kurz oder lang alle mittelständischen Berufsverbände entweder wieder verschwunden oder sie haben sich den „Marktführern“ „kampflos“ untergeordnet. Nach den bisherigen Forschungsergebnissen dürfte es wp.net eigentlich schon eine Zeitlang nicht mehr geben. Denn alle internationalen mittelständischen WP-Verbände mit politischen Aktivitäten sind inzwischen verschwunden, so Prof. Lenz. In Deutschland nimmt wp.net neben dem IDW inzwischen einen festen Platz ein. Alle drei Brief-Wahlergebnisse seit 2011 bestätigen dies. Hätten wir nicht von uns aus 2013 das Mehrheitswahlrecht durch das Verhältniswahlrecht ersetzt, hätte die wp.net-WP-Liste von Michael Gschrei bislang immer die absolute Mehrheit bei den WPs erreicht. Die von wp.net für die Einführung des Verhältniswahlrechts geforderte Spiegelbildlichkeit (Wahl des Vorstands und der Mitglieder der KfQK analog des Beiratswahlergebnisses) wurde mit juristisch nicht belastbaren Formulierungen verhindert. Dies hat der über drei Instanzen geführte Verwaltungsgerichtsprozess 2014-2017 gezeigt. Dennoch stehen wir zur Verhältniswahl: Wir wollen eine demokratische Kammer und wollen auch, dass die Bandbreite des Berufsstandes sich in der Kammer spiegelt.
Nehmen Sie sich bitte die Zeit und studieren Sie diese sehr lesenswerte Forschungsarbeit.
Auf der Mitgliederversammlung in München im November 2021 konnte der GF Vorstand über diese positive Mitgliederentwicklung bis Ende Okt. berichten. Das Wachstum ging weiter. Bis Ende Dez. 2021 sind 76 Kolleginnen und Kollegen Mitglied bei wp.net geworden. Auf solch großes jährliches Mitgliederwachstum mussten wir 10 Jahre warten. Zu den 850 Mitgliedern kommen noch 270 Gesellschaften (assoziierte Mitglieder) hinzu. Ende 2021 hat wp.net über 1.100 Mitglieder.
Das wichtigste Thema der MV waren die Vorstandswahlen. Alle Vorstandsposten mussten gewählt werden. Als weiteres Mitglied in den Vorstand wurde der PR1MUS 2.0 Chef, Herr WP/StB Mark Schüttler, gewählt. Damit ist der seit drei Jahren vakante NRW-Vorstandsposten wieder besetzt. Die weiteren gewählten ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder sind WP/StB Tobias Lahl, WP/StB Regina Vieler und WP/StB Jens Hagemann. Das geschäftsführende Vorstand WP/StB Michael Gschrei wurde ebenfalls für drei weitere Jahre gewählt.
Frau Tatjana Drachenberg, seit April 2019 bei wp.net, war erfolgreich bei der Suche nach einem neuen Newslette-Format. Das starke Mitgliederwachstum ist für uns auch das Ergebnis dieser neuen Software. Die Zugriffsstatistik liegt bei Mitgliedermails zwischen 40 und 50%, bei Mails an den übrigen Berufsstand liegt die Klickquote zwischen 30 und 40%.
2021 haben wir rund 60 Mails verschickt. Der Inhalt reicht von Konsultationen, über Petitionen bis hin zu längeren Artikeln. Umfangreichere Artikel haben wir auch auf unserer Website unter „Aktuelles“ eingestellt. Einen Teil der Newsletter finden Sie auch unter Presse abgelegt und sind damit eine längere Zeit vorrätig.
Wir hoffen, dass wir mit unserer neuen Software die Anklickquote noch weiter werden steigern können.
Als uns aus dem Berufsstand Signale über die Einstellung der PR1MUS-Fortbildungseminare zugetragen wurden, verdunkelte sich zuerst über wp.net der Himmel. Nach einigen Gesprächen zeichnete sich eine Lösung am Fortbildungs-Himmel ab: Danach muss Mark Schüttler, der neue Kopf von PR1MUS- Seminar 2.0. seine beruflichen Schwerpunkte zwar neu justieren, seine Mitwirkung bei wp.net im Vorstand bleibt jedoch gesichert. Im November wurde Mark Schüttler in den ehrenamtlichen Vorstand von wp.net gewählt. Damit hat wp.net nach drei Jahren Abstinenz für NRW wieder einen Vertreter im Vorstand. Im September 21 gab uns Mark Schütter ein Interview zu seiner Entwicklung und Seminarplanung. Auf der wp.net-Website können Sie dies noch lesen.
Die Qualitätskontrolle wurde „auf Bitten“ des IDW/WPK eingeführt. Man spricht auch vom Gesetz on demand IDW/WPK (Kluth, DStR 2000, S. 1927). Nach unseren Berechnungen (bis 2016 alle drei Jahre, später sechs Jahre) müssten 2020 oder 2021 bei den Big4 die jüngsten Qualitätskontrollen abgeschlossen worden sein. Nicht mal diese Information gibt die WPK raus. Auch die Mitglieder des WPK-Vorstandes erhalten keine Auskunft mit Hinweis auf die WPO-Verschwiegenheitsforderung. Dabei wird verkannt, dass sich die Verschwiegenheit nach Außen richtet. Die Vorstandsmitglieder aber sind Teil der Innenorganisation der WPK; denn der Vorstand führt die WPK. Und trotzdem bekommt das Vorstandsmitglied keine Informationen. Hier stimmt etwas nicht mit der Verschwiegenheit.
In anderen Ländern werden die QK- und die APAS-Berichte offengelegt. Dies aus gutem Grund: Denn weder mit dem Jahresbericht der APAS, noch mit dem Tätigkeitsbericht der KfQK kann sich die Öffentlichkeit ein Bild von der Qualität der Big4-Abschlussprüfungen machen. Seit Jahren schon berichtet die Kommission fQK über abgestellte Mängel bei den kleinen Prüfern. Hier geht es meistens um Angemessenheitsmängel wegen fehlender oder unvollständigen Regelungen. Über die Mängel der Großen mit ihren zig.-Tausend Prüfungen liest man nichts.
Auch darüber könnte man ohne Namensnennung berichten und würde dabei nicht gegen die Verschwiegenheit verstoßen. Die Öffentlichkeit - der eigentliche Adressat der Qualitätskontrolle - wird also völlig ausgeblendet. Die Öffentlichkeit soll sich wohl nicht selbst ein Urteil bilden, sondern soll den Urteilen der „Geheimaufsicht“ und „Geheimgremien“ vertrauen. Dies ist schon bei der APAS schiefgegangen. In dessen Räumen wusste auch niemand, dass der ehemalige Vorsitzende mit Wirecardaktien handelte. Wie das gerne gebrauchte Argument, dass die Qualitätskontrolle das Ansehen der Öffentlichkeit stärken würde, überzeugt, kann man bei dieser Intransparenz nicht nachvollziehen. Transparenz schafft Vertrauen. Intransparenz schafft Misstrauen.
Wir erfahren nur durch die Berichterstattung der britischen „Financial Times“, wie es um die die Qualität der Big4 im angelsächsischen Raum bestellt ist (30-50% Mängelprüfungen). In Deutschland wurden die „Schotten dichtgemacht“. Wie damit nach dem Desaster von Wirecard wieder Vertrauen gegenüber der Öffentlichkeit – auch dem Berufsstand selbst gegenüber – geschaffen werden kann, bleibt ein Geheimnis des Kammerpräsidenten.
Die Rechtsaufsicht gestand in ihrem Schreiben an Michael Gschrei, dass es „in der Natur der Sache liege, dass sich die Qualitätskontrolle bei den großen Gesellschaften aufgrund der Einbeziehung der wirksamen Nachschau bei der Auftragsauswahl faktisch stärker auswirken dürfte“ (Anm.: Also Ersatz der Auftragsprüfungen durch die interne Nachschauen). „Dies stelle keine intendierte (Anm.: beabsichtigte) Diskriminierung von kleineren Praxen dar. Es ergäbe sich einfach aus der Natur der Sache“, so die Rechtsaufsicht.
Deswegen sagen wir, dass die Qualitätskontrolle bei den großen Einheiten keine gesetzliche Qualitätskontrolle ist. Dies ergibt sich schon daraus, weil die Gleichwertigkeit der Arbeitsleistung aller verantwortlichen Wirtschaftsprüfer unterstellt wird, wozu es aber keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt – außer Behauptungen der davon Begünstigten.
Die Qualitätskontrollprüfer bei den großen Gesellschaften unterstellen lediglich anhand von Nachschauberichten der WP-Gesellschaften die Stabilität des Big4-QSS. Die Gleichsetzung von Nachschau und externer Prüfung ist keine Qualitätskontrolle und wird auch nie eine QK.
Bei den kleinen Gesellschaften verlangt man vom Prüfer f. QK die Stabilität des Qualitätssicherungssystems über sechs Jahre durch Auftragsprüfungen über die gesamten sechs Jahreszeitraum zu verifizieren. Die Kommission f. QK ist beispielsweise bei Einzelpraxen nicht mit einer Auftragsprüfung des PfQK zufrieden und will für den Nachweis der Stabilität des QSS mehrere Aufträge über den sechs Jahreszeitraum verteilt geprüft sehen. In Deutschland wird bei den Big4 nur ein kleiner Prozentsatz (1 Promille) der Aufträge in die Qualitätskontrolle einbezogen. Von einer Prüfung der Stabilität kann daher nicht gesprochen werden. Die Big4-Stabilitätsprüfung des Qualitätssicherungssystems beruht auf reinen Unterstellungen.
Darin zeigt sich für uns der eklatante Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebene Verhältnismäßigkeit (§ 57a Abs. 5b WPO) dieser Big4-QK. Von der Sicherstellung der verhältnismäßigen Qualitätskontrolle bei den freiberuflichen WPs ist für uns die Kommission fQK seit Jahrzehnten immer noch sehr weit entfernt.
Spätestens mit dem Wambach Bericht wurde uns gezeigt, dass die Big4 auch nur mit Wasser kochen. Bislang wurden deren Mängel im „Geheimbetrieb der WPK und APAS“ von der Öffentlichkeit ferngehalten. Schon 2009 hätte man einen Untersuchungsausschuss zum Versagen der Bankenprüfer machen sollen.
Qualität des HRE-Untersuchungsausschuss 2009 meilenweit vom Wirecard-Ausschuss entfernt
Honorige und intelligente Bundestagsabgeordnete, wie Gerhard Schick (heute Chef der Finanzwende) oder Volker Wissing (seit kurzem Verkehrsminister) befragten den KPMG-Prüfer. Eine Frage bezog sich darauf, wie er die CDOs geprüft habe. Antwort: „… und haben die Werteansätze als plausibel eingestuft.“(Prot. 13. Sitzung v. 2.7.2009, S. 131). Obwohl diese strukturierten Produkte mangelhaft transparent waren, kam niemand im Ausschuss auf die Idee zu fragen, mit was die KPMG-Prüfer die CDO-Werte verglichen haben könnten. Mit was kann man etwas plausibilisieren, das man gar nicht kennt, weil es mangelhaft transparent ist? So trug dieser Ausschuss nicht zur Aufklärung über die Mängel der Bankenprüfer im Vorfeld der Finanzkrise bei. Später nahm Barnier bei der EU-Reform der Abschlussprüfung in seiner endgültigen Fassung den Vorwurf gegen die Bankenprüfer aus Richtlinie und Verordnung wieder zurück.
Wambach-Bericht vom „Handelsblatt aus dem Gefängnis geholt“
Statt Transparenz herrschte zum Wambachbericht Schweigen im Big4-Berufsstand – ebenso bei IDW und in der WPK.
Die Strategie der WPK machte auf uns den Eindruck, als Verteidiger der EY glänzen zu wollen. Die Ausreden reichten von „Geht uns nichts an“, „für die Wirecard-Prüfung ist die APAS zuständig“ bis zu der Aussage, dass man noch zu wenig Belastbares kenne, um sich eine (abschließende) Meinung bilden zu können.
Seine Meinung zur EY-Wirecard-Prüfung äußerte der wp.net Vorstand Michael Gschrei schon Ende Juni 2020 im Handelsblatt. Jeder praktizierende Abschlussprüfer konnte sich bis dahin eine fundierte Meinung bilden. Man musste nur die Informationen lesen (wollen). Das Handelsblatt war an der Meinung von Michael Gschrei interessiert. Nach dem Studium des Wambach-Berichts 2021 war uns noch mehr klar geworden, dass die „Berufspflichten (§ 43 WPO) bei der Wirecard-Prüfung nur gering, bis gar nicht beteiligt waren“.
Der Wambach-Bericht zeigt uns Prüfungsmängel aus den 20ziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Unsere Feststellung steht auch ganz im Gegensatz zu den positiven Äußerungen im EY-Transparenzbericht zum EY-Qualitätssicherungssystem.
Im Transparenzbericht 2018 schwärmt EY über ihr Qualitätssicherungssystem u.a. mit folgenden Belobigungen:
- „Wir sind Anbieter qualitativ hochwertiger Prüfungsleistungen“
- „Die Beachtung ethischer Grundsätze ist ein Schlüssel für unseren Erfolg“
- „Wir investieren in Initiativen zur kontinuierlichen Sicherstellung von Unabhängigkeit und kritischer Grundhaltung.“
Im Wambach Bericht wird festgestellt, dass im Zusammenhang mit dem forensischen Prüfprojekt „Ring in Indien“ man vergeblich die kritische Grundhaltung sucht. Man schickt die widerspenstischen forensischen Prüfer vor dem Abschluss ihrer Arbeit nach Hause und testiert den Jahresabschluss.
Sich auf mündliche und schriftliche Erklärungen der möglicherweise unter Verdacht stehenden Personen zu verlassen, ist das Gegenteil von kritischer Grundhaltung, ebenso die Feststellung, dass „Prüfungsnachweise weder einzeln noch kumulativ als Warnsignale wahrgenommen wurden“.
Auf fast 100 Seiten mit 452 Textziffern werden solche Feststellungen von Herrn Wambach getroffen. Jedoch bei der Zusammenfassung der großen Zahl an Mängeln, verlässt die Berichtsschreiber anscheinend der Mut. Oder mit den Worten aus den WP-Berufspflichtenkatalog formuliert: Die Unparteilichkeit in der Berichterstattung lässt zu wünschen übrig.
Offensichtlich sind große Fehlinvestitionen zur kontinuierlicher Sicherstellung der kritischen Grundhaltung bei EY zu beklagen. Im Spiegel 25/2021 äußert sich das neue EY-Führungsduo mit dem Plan, "mit internen Schulungen die Mitarbeiter umerziehen zu wollen".
Eine Feststellung können wir heute schon zum EY-Prüferanspruch und zur EY-Prüferwirklichkeit schon treffen: Für das Selbstlob im EY-Transparenzbericht fanden wir im Wambach-Bericht keine Belege.
Fragen von PUA-Mitglied Cansel Kiziltepe entlarven APAS Chef als Wirecard-Aktienkäufer
Dieser im Rahmen der APAS Befragung bekannt gewordene APAS-Mangel wurde von der Regierung inzwischen behoben. Die Leitung der APAS liegt nach dem unfreiwilligen Abgang von WP Ralf Bose nicht mehr in den Händen eines WPs. Ob damit die kritische Grundhaltung (§ 43 Abs. 4 WPO) gegenüber den Big4-Gesellschaften Eingang bei der Aufsicht findet, wird uns erst die Zukunft zeigen.
Wir konnten im Frühjahr mit dem Ausschussmitglied Frau Cansel Kiziltepe ein Interview zur Arbeit im Untersuchungsausschuss führen. Frau Kiziltepe hatte u.a. dadurch große Bekanntheit erlangt, weil Sie mit Ihren Fragen den APAS-Chef des Besitzes von Wirecardaktien überführte. Alles Weitere ist bekannt und schon wieder Geschichte. Für Frau Kiziltepe ist die fehlerhafte EY-Abschlussprüfung der Dreh- und Angelpunkt des vom Wirecard-Vorstand inszenierten weltweiten Betrugs.
Nach aktuellen Presseberichten gibt es nicht nur bei drei EY-WPs Ermittlungsakten in der APAS, sondern es soll inzwischen schon sieben Akten über (zum Teil inzwischen ehemalige) EY-Wirtschaftsprüfer geben.
Positive Folgen für Mitglieder des PUA
Besonders engagierte Parlamentarier/in des PUA Wirecard sind in der neuen Ampelkoalition bzw. in einer Länderregierung beruflich aufgestiegen.
Frau Kiziltepe wird Staatssekretärin im Bauministerium. In Zukunft ist Bauen wohl Frauensache, denn die Ministerin heißt Klara Geywitz. Es gibt viel zu tun, denn jährlich sollen in Deutschland 400.000 Wohnungen gebaut werden. Ein Interview mit Frau Kiziltepe zu Ihrer neuen Aufgabe können Sie in der taz lesen.
Der FDP-Abgeordnete Toncar wurde Staatssekretär in Finanzministerium. Der Grünen- Abgeordnete Dr. Bayaz Finanzminister in Baden-Württemberg.
Prüfungshinweis zum Lagebericht nach § 289 HGB.
2021 haben wir am Prüfungshinweis Lagebericht vom Nov. 2020 zwei Punkte nachgebessert. Darüber berichtete dann auch das Mitglied des AK, Kollege WP StB Mark Schüttler, in der WP Praxis Ausgabe Mai 2021. Von wem auch immer Spekulationen gestreut wurden, dass unser PH Lagebericht 2020 keine hinreichende Prüfungssicherheit gewährleistet, es war falsch. Der WPK-Ausschuss Rechnungslegung und Prüfung hatte nur einige Klarstellungen zur Folge, mehr nicht. Lesen Sie dazu das 5er Heft 2021 der WP Praxis.
Rechnungslegungshinweis zum Fortführungsgrundsatz im HGB (Juni 2021)
Umfangreicher sowohl im Inhalt, als auch was die Sitzungen anbelangte, gestaltete sich die Ausarbeitung des Rechnungslegungshinweises zum gesetzlichen Fortführungsgrundsatz nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB. Der Widerspruch aus dem Munde von IDW-Vertretern ließ nicht lange auf sich warten. Deswegen veröffentlichte wp.net ein Interview mit dem AK-Leiter WP/StB Andreas van Riesen. Darin erläutert der Ausschussvorsitzende u.a. warum dieser RH erforderlich war, wie der RH ausgelegt werden soll oder auch wo die Rechtsgrundlagen für diesen Hinweis zu finden sind.
Erst nach der vierten Sitzung schwenkten alle Mitglieder auf die endgültige Zielgerade ein. Nach 10 Sitzungen wurde das Ergebnis dem wp.net-Vorstand zur Genehmigung vorgelegt. Es freut uns, dass immer mehr Autoren den Fortführungsgrundsatz des HGB anwenden und sich nicht mehr dem AK-Leiter, Herrn WP/StB Andreas van Riesen. Wir bedanken uns herzlich bei den Mitgliedern des AK Fortführungsgrundsatz für Ihren Einsatz.
Drei weitere Arbeitskreise wurden 2021 eingerichtet, bzw. wieder neu zusammengesetzt. Einmal geht es um den AK Unternehmensbewertung. Neu hinzu kam der AK Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB. Dabei steht auf dem Programm, den gesetzlichen Bestätigungsvermerk mit dem BV, was das IDW daraus gemacht hat, zu überprüfen. Dazu wollen wir am Ende vielleicht einen eigenen Hinweis zum Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB ableiten.
Ein neuer AK beschäftigt sich mit der handelsrechtlichen Abschlusserstellung. Hier wollen wir u.a. den Hinweis zum Fortführungsgrundsatz mit einbeziehen.
Am Ende des Jahres 2021 freuen wir uns, denen Danke zu sagen, die sich besonders im wp.net und für den freiberuflichen WP-Beruf engagiert haben. Ohne die vielen Unterstützer wären die erfolgreichen Teile der wp.net-Arbeit nicht möglich gewesen.
Wir danken u.a. unseren Referenten und Arbeitskreisleitern und den in der Kammerarbeit aktiven wp.net-Mitgliedern:
- WP/StB Michael Böllner aus München, der dem Berufsstand zum gesamten Prüfungskomplex der Finanzdienstleister und Wertpapierinstitute die Grundlagen vermittelt und später mit Seminaren auf dem aktuellen Wissensstand hält,
- Dr. Dr. h.c. WP/StB/RA Thomas Weckerle, der sich schon jahrelang um die Unternehmensbewertung im KMU-Segment verdient macht. Neben den Arbeitskreis Unternehmensbewertung steht er auch dem AK „Bestätigungsvermerk“ vor,
- WP Jörg Rompf, der seit Jahren im Berufsstand in den Seminaren MaBV-Prüfung und FinVermV-Prüfungen unterrichtet,
- WP/StB PfQK Michael Gschrei hält seit Jahren das Seminar für die Prüfer der Qualitätskontrolle,
- WP/StB Andreas van Riesen hat seine erfolgreiche Arbeitskreisarbeit 2020 auch in 2021 fortgesetzt. Nach den beiden Hinweisen (RH und PH) zum Lagebericht im Vorjahr, übernahm er auch den Vorsitz im Arbeitskreis „Fortführungsgrundsatz nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB“. Lesenswert das Interview mit ihm zur Anwendung des Rechnungslegungshinweises,
- Unser Dank geht auch an die Kollegen im wp.net-Vorstand, insbesondere Herrn WP/StB Tobias Lahl, der zusätzlich zum Sprecheramt bei wp.net auch die Aufgabe des Sprechers der 26 wp.net-Beiräte in der WPK übernommen hat. Viel Zeit und Arbeit ist mit der Organisation und Abwicklung der Beirats-Informationsveranstaltungen für ihn angefallen,
- Weiter haben im Vorstand der WPK Arbeit für den mittelständischen Berufsstand geleistet: Regina Vieler, Jens Hagemann, Dr. Richard Wittsiepe und Rainer Eschbach,
- Mein Dank gilt auch Herrn WP/StB/RA Prof. Jürgen Stuhr, der dem wp.net-Vorstand als Rechtsberater das gesamte Jahr über zur Seite stand,
- Allen wp.net-Beiräten danke ich für Ihr Engagement in der WP-Kammer. Sie alle haben 2021 wieder kennenlernen dürfen, dass ohne eine Mehrheit im WPK-Vorstand eine fruchtbare Arbeit für die mittelständischen Kammermitglieder in der WPK nicht möglich ist.
Aus vielen kleinen Praxen eine großes Prüferhaus zusammensetzen. Oder um es in Anlehnung mit J.F. Kennedys Worten auszudrücken: Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt? Wie, wenn nicht zusammen und gemeinsam?
Nach dem Versagen des WPK-Vorstands und der Kommission für QK bei der Umsetzung der Evaluierung der Qualitätskontrolle 2020 (auf der Basis der neuen Satzung f. Qk 2019) haben wir nach neuen Möglichkeiten Ausschau gehalten. Wir wollen bei den kleineren mittelständischen Abschlussprüfern und Einzelprüfern eine Qualitätskontrolle vergleichbar jener bzw. in Anlehnung an die Big4&Friends (sog. „Ein-Promille-Auftragsprüfungen“) ermöglichen.
Anfang 2021 entstand erneut Streit in der WPK, weil die KfQK entgegen der Koalitionsvereinbarung und dem Auftrag des Vorstandsausschusses zur Evaluierung der QK in den beiden Hinweisen der KfQK vom 1.9.2020 die Möglichkeiten zur Verhältnismäßigkeit der Qualitätskontrolle nicht aufgegriffen hat. Wir berichteten darüber unter „Skalierte Qualitätskontrolle für kleine, mittlere und Einzelpraxen möglich“ in der WP Praxis 3/2021.
Gertrud Deffner, Mark Schüttler und Michael Gschrei ergriffen im Frühjahr 2021 die Initiative und stellten die WPMI AG auf die Beine. Ab 2022 prüfen bisherige selbstständige Abschlussprüfer unter dem Dach von wp.mi zusammen mit den Verantwortlichen von WPMI Jahres- und Konzernabschlüsse. Mehr dazu auf der WPMI Website.
Obwohl noch kein Unternehmen geprüft wurde, kam von der Kommission für QK schon die Anordnung, bis Ende 2022 den Bericht über die Durchführung der Qk vorzulegen, also nach nur einer Prüfungsperiode. Ein Schelm, der Absicht bei dieser Anordnung vermutet?
Unsere Wünsche zu Weihnachten, zum Jahreswechsel und zum Wahljahr 2022
Beim Rückblick auf das Jahr ist es immer wieder bewegend, wie viele Themen uns über so viele Monate begleitet haben, was wir erlebt und erfahren haben – und dabei sind diese Listen nur ein kleiner Einblick in das, was wir 2021 gemacht haben.
2022 bekommen wir mit den Beiratswahlen wieder eine große Chance, der mittelständischen und freiberuflich geprägten Wirtschaftsprüfung neues Leben und Zuversicht einzuhauchen. Voraussetzung ist, dass der Berufsstand an der Briefwahl im Juni 2022 teilnimmt.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Lieben zum Weihnachtsfest besinnliche und erholsame Tage voller glücklicher Momente.
Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit Ihnen das Jahr 2022 für die mittelständische Wirtschaftsprüfung erfolgreich zu gestalten.
Macht’s gut, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.
Ihr
Michael Gschrei