Teil 2 der Prof. Lenz & Co-Studie über die Leistungen von wp.net von 2005-2011
Mobilisierung der Solidarität bei den SmallMediumAuditors (SMA)
Der Teil 2 der wp.net-Geschichte von 2005 bis 2011 war geprägt von der Ignorierung der Wünsche des SMA-Berufsstands.
Eine andere Form der Reaktion zeigte sich darin, sich über die SMA-Wünsche auf den Jour Fixes lächerlich machen. Die Standpunkte des IDW/WPK-Netzwerkes mit denen von wp.net erschienen unvereinbar.
Eine große Verärgerung im SMA-Berufsstand betraf die Qualitätskontrolle „on demand IDW/WPK“ (Prof. Kluth, Peer Review auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, DStR 2000, 1927ff.). Die Großen der WP-Branche brauchten dieses Qualitätsvehikel brauchten, nicht aber die SMA-Abschlussprüfer.
Eine "Schockwelle" lief 2005 durch das Segment der kleinen Wirtschaftsprüfer (wp.net Newsletter 2009/1). Die SMAs erkannten, was mit dem von WPK und IDW verwendeten Begriff "einheitlicher Berufsstand" wirklich gemeint war. Entweder die SMAs erfüllen die Anforderungen des IDW an die Qualitätskontrolle wie die Big-4-Gesellschaften oder die SMAs müssen in der Zukunft die Durchführung von Abschlussprüfungen einstellen.
Die Vertreter von IDW/WPK redeten schon vor der EInführung 2000 den Peer Review schön und verschwiegen gleichzeitig die Konsequenzen für die SMA-Prüferpraxen.
Vom IDW konnte der SMA-Berufsstand keine Hilfestellung erwarten. Die beruflichen Lebensläufe der drei Geschäftsführenden Vorstandsmitglieder des IDW hatten wenig bis nichts mit dem SMA-Beruf zu tun. Keiner war Abschlussprüfer, keiner war Prüfer für Qualitätskontrolle. Sie kannten vielleicht die Prüfungsstandards aus der Theorie, von deren verhältnismäßigen Anwendung bei den SMA-Praxen war die IDW-Führung eher Lichtjahre entfernt.
Als dann 2005/2006 die erste große Welle der Qualitätskontrollen anrollte, stellten die SMAs fest, dass es die IDW-Eliten versäumt hatten, den rund 4000 betroffenen kleinen und mittelständischen Praxen bei der Qualitätskontrolle rechtzeitig fachliche oder technische Unterstützung bereitzustellen.
Die vom IDW vorgegebene „Qualitätskontrolle ohne Augenmaß“ nach IDW PS 140 erhöhte die Unzufriedenheit und damit die Bereitschaft der SMAs nach Reaktionen.
Michael Gschrei reagierte im Sommer 2004 damit, im Internet deutschlandweit aktive Unterstützer für eine erneute Vereinsgründung zu finden. Zehn selbständige Wirtschaftsprüfer (eine vBPin zog ihre Mitwirkung wieder zurück) gründeten im Januar 2005 einen neuen Berufsverband, den wp.net e.V., um ausschließlich die Interessen der SMAs zu vertreten.
In seiner Satzung distanzierte sich der neue Verband explizit von den Big4 und charakterisierte sich als Verband für die mittelständische Wirtschaftsprüfung, deren Vertreter "selbständig oder in einer Partnerschaft mit unternehmerischem Charakter tätig und nicht in einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder einem Netzwerk organisiert sind" (wp.net-Satzung). Die Rhetorik des wp.net baute daher von Anfang an auf dem traditionellen deutschen WP-Berufsverständnis auf und verwendete Begriffe wie Eigenverantwortung, Selbstregulierung, freier Beruf und öffentliches Amt und Vertrauen.
Schnell begann der neue Verband, das Thema "Qualitätskontrolle" anzusprechen, indem er das Narrativ vom "Marketinginstrument" angriff. wp.net bezeichnete die Einführung dieses "Marketingtools" als Plan der WPK und des IDW, den Prüfungsmarkt von kleineren Prüfungsgesellschaften zu "säubern": "Reagieren Sie nicht mit der Aufgabe der Wirtschaftsprüfung, wie die Großen der Branche hoffen" (wp.net Newsletter 4/2005). Der Vorwurf einer geplanten Marktbereinigung wurde in den Newslettern und Jahresberichten der Mitglieder häufig wiederholt. Folglich etablierte wp.net ein Narrativ, das die SMAs mit David im Kampf gegen Goliath verglich und die SMAs als von den Big 4 unterdrückt und dominiert beschrieb.
Von den vorhergesagten hohen Peer Review-Teilnehmerzahlen blieb nicht viel übrig. Um die Akzeptanz der IDW/WPK-Qualitätskontrolle trotzdem zu unterstellen, scheute die WPK auch nicht davor zurück, in Pressemittelungen falsche Zahlen über die Teilnehmerquote an der Qualitätskontrolle zu veröffentlichen. „Zum 31.12.2008 waren rund 72% aller Wirtschaftsprüfer und rund 25% aller vereidigten Buchprüfer in Deutschland mit einer Bescheinigung über die Teilnahme am System der Qualitätskontrolle oder einer Ausnahmegenehmigung ausgestattet,“ lautete eine Pressemeldung vom 14.05.2019 im "Der Betrieb".
Die WPK hat der Einfachheit halber die angestellten Wirtschaftsprüfer mit der Qualitätskontrollbescheinigung ausgestattet, obwohl diese weder mittelbar noch unmittelbar mit der Qualitätskontrolle in Berührung kommen. Erst seit Dez. 2020 wissen wir, dass nur rund 1 Promille der zu prüfenden Aufträge bei den Big4 in die Auftragsprüfung kommen. Trotzdem erhalten diese Gesellschaften eine Bescheinigung über die Teilnahme am System der Qualitätskontrolle. Alles mit Zustimmung der APAS und der Rechtsaufsicht im BMWi.
Aufgrund der Kritik von Seiten des wp.net wurden in den Folgejahren die Pressemeldungen abgeändert. Fortan berichtete die WPK über die Teilnahme an der Qualitätskontrolle, dass x% aller Wirtschaftsprüfer in Gesellschaften oder Praxen tätig sind, die sich der Qualitätskontrolle unterzogen haben.
Die Debatten verschärften sich im Juni 2006, als die europäische Richtlinie über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen veröffentlicht wurde. Die Tatsache, dass in der Richtlinie der Begriff "Durchsicht" und nicht "Kontrolle" verwendet wird, wurde von wp.net als Beleg dafür herangezogen, dass das IDW bei der Etablierung des deutschen Qualitätskontrollsystems bewusst über das Ziel hinausgeschossen sei und die Kontrolle Eingang in die Qualitätskontrolle fand. Unter Betonung des sprachlichen Unterschieds zwischen "Kontrolle" und "Begutachtung" warf wp.net dem IDW und der WPK vor, den Begriff "Begutachtung" absichtlich falsch als eine Form der Überwachung zu übersetzen, um eine restriktive Vorstellung von "Peer Review" zu forcieren. Damit positionierte sich wp.net in direkter Opposition zum IDW und stellte die Legitimität von dessen Vorschlägen in Frage.
Als wp.net begann, als Berufsverband der SMAs aktiv zu werden, konnte das IDW nicht mehr den Anspruch erheben, alleiniger Vertreter des WP-Berufsstandes zu sein.
Diese Politisierung des Berufsstandes wurde bei einer Anhörung 2007 zum Qualitätssicherungssystem im Deutschen Bundestag deutlich. Zum ersten Mal zu einer solchen beratenden Anhörung eingeladen zu werden, wurde als "Krönung unserer bisherigen politischen Bemühungen" (wp.net Newsletter 02/2007) gesehen. Während der Anhörung kritisierte wp.net das zu bürokratische Qualitätskontrollsystem und plädierte dafür, dass der Staat kleine Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vor dem unfairen Wettbewerb der Big 4 schützen sollte. Die Anhörung bot dem wp.net auch die Gelegenheit, seine oppositionelle Rolle innerhalb des Berufsstandes öffentlich zu demonstrieren und die Vorstellung zu widerlegen, das IDW würde alle Wirtschaftsprüfer gleichermaßen vertreten.
Nachdem sich wp.net als legitimer Berufsverband etabliert hatte, begann er zunehmend, Einfluss auf das das wichtigste IGU des Berufsstandes, die WPK, zu nehmen. Trotz der traditionellen Dominanz großer Kanzleien innerhalb der Organisation der WPK war es ein Ziel des wp.net, eine Vertretung in der WPK (Beirat, Vorstand und KfQK) zu erreichen. Die Dominanz der Großen Gesellschaften hatte nur einen Grund. Das undemokratische Vollmachtswahlrecht.
wp.net konstatierte: Das Wahlsystem "Vollmachtswahlen" stellte ein ernsthaftes Hindernis für kleinere Wirtschaftsprüfer dar, die ihre politische Unzufriedenheit in politische Beteiligung umsetzen wollten. Die Änderung des Wahlsystems wurde daher zu einer wichtigen Priorität für wp.net. Gschrei erläuterte: „Mit diesem Vollmachts-Wahlsystem hätten wir nie etwas ändern können - das war klar. Wir mussten die Regelung mit den Vollmachtstimmen ändern " (Interviewpartner #28).
Darüber hinaus behauptete wp.net, dass dieses System einen großen Vorteil für die Big 4 darstellte, die in der Lage waren, die Stimmen für ihre Kandidaten systematisch für eine Versammlungsmehrheit zu organisieren.
wp.net begann, das Wahlsystem mit Vollmachten zu untergraben, indem es ein Narrativ gegen den etablierten Prozess etablierte, in dem das IDW einen großen Einfluss darauf hatte, wer für die Wahl nominiert werden würde. wp.net wies auf die enge Beziehung zwischen dem IDW und den Big 4 hin:
In der Kommunikation erklärte wp.net, dass die Kontrolle durch die dominierende Koalition der großen Gesellschaften zu undemokratischen, ungleichen und unfairen Wahlen führt. In verschiedenen Newslettern machte wp.net immer wieder von dieser Aussage Gebrauch. Der GF Vorstand von wp.net sah darin ein systematisches Problem der Politik und ein Machtspiel der Big 4, um den WP-Markt zu dominieren, und erklärte: "Wer die Spielregeln aufstellt, gewinnt das Spiel. Deshalb gibt es diese Regeln" (wp.net Journal 2013/1). So erhob wp.net die Frage des Briefwahlrechts zum zentralen Schritt zur Herstellung demokratischer Verhältnisse im WP-Berufsstand. Die herrschende Koalition IDW/WPK war nach wp.net-Erkenntnissen jedoch nicht bereit, das Beirats-Wahlrecht zu ändern. Im Jahr 2007 erarbeitete wp.net einen ersten Vorschlag für ein neues Wahlsystem. Der Vorschlag wurde schließlich von der (Vollmachts)-Mehrheit auf der WP-Versammlung 2008 in Frankfurt abgelehnt. Mit anderen Worten: Trotz wachsender Mitgliederzahlen wurden die Versuche des wp.net, den SMAs eine Stimme zu geben, durch die traditionellen hierarchischen Kammerstrukturen der dominanten Akteure des WP-Berufsstands blockiert.
Als Reaktion darauf begann das wp.net, seine Bemühungen auszuweiten und forderte die Berufsangehörigen an der, auf der - aus heutiger Sicht letzten - Wirtschaftsprüferversammlung am 20.06.2008 in Frankfurt teilzunehmen und ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Neben den Beiratswahlen stand ein umfangreicher vorab eingereichter Fragenkatalog auf der Tagesordnung, den die WPK-Vertreter beantworten mussten. Dazu gab es eine Aussprache. Den damals von Michael Gschrei verfassten Bericht über die letzten WP-Versammlung erhalten Sie hier. Die WPK hat im WPK-Magazin 3/2008. S. 6ff. einen Bericht dazu eingestellt.
Ab 2007 und später veranstaltete der WPK-Vorstand mehrmals jährlich regionale Veranstaltungen, sog. "Jour Fixes". Michael Gschrei reiste zu diesen Veranstaltungen und nahm Einfluss auf die Diskussionsthemen und auf die Diskussionen.
Eine wachsende Zahl von Wirtschaftsprüfern forderte vor, auf und nach der WP-Versammlung 2008 Änderungen am Wahlsystem, was IDW und WPK zunehmend unter Druck setzte. Angesichts der wachsenden Zahl von Wirtschaftsprüfern, die Änderungen forderten, konnten die traditionellen IGUs (IDW/WPK) nicht mehr behaupten, dass sie die Interessen des gesamten Berufsstandes vertraten und dass das Wahlsystem ausgewogen sei. wp.net wandte sich auch an das Bundeswirtschaftsministerium. Das Ministerium sah jedoch wegen der starken Tradition der beruflichen Selbstverwaltung von einer Intervention ab. Angesichts des Widerstands der WPK-Gremien gegen eine Reform des Wahlsystems und der passiven Haltung des Ministeriums wandte sich wp.net an Bundestagsabgeordnete und schilderte die undemokratischen Praktiken im WP-Wahlsystem.
Mit dem Frankfurter Achtungserfolg 2008 im Rücken wurde der politische Kampf auf den regionalen Kammertreffen 2008 und 2009 intensiviert. Von Hamburg bis München beherrschten diese Themen die bundesweiten WPK-Jour Fixes.
Die Financial Times Deutschland ließ 2009 mit dem Artikel „Vier gewinnt – Der Aufstand der kleinen Resteverwalter“ - die WP-Versammlung 2008 nochmals revue passieren.
Der Umstand, dass Minister Michael Glos im Februar 2009 vorzeitig sein Amt aufgab, erwies sich als Glückfall für die Einführung der Briefwahl. Der Wechsel beförderte einen jungen Politiker ins Amt, der mit dem Begriff „Postdemokratie“ etwas anfangen konnte. Mit dem Ministerwechsel im Februar 2009 kam für die letzten 6 Monate der Legislaturperiode mit Freiherr zu Guttenberg ein Nachwuchspolitiker ins Wirtschaftsministerium, der beim Wahlrecht auf demokratische Spielregeln setzte.
Kurze Zeit nach dem Erscheinen des wp.net-Magazins 2009 im Mai 2009 mit dem Artikel „Wirtschaftsprüferkammer in der Postdemokratie“ war aus dem Ministerium der Sinneswandel hin zur Briefwahl zu vernehmen. Dieser Sinneswandel steckte auch die Gremien der Wirtschaftsprüferkammer an. Die Kammerführung erwärmte sich nun überraschend auch für die Briefwahl.
Für das weitere Prozedere der Umsetzung lud das Ministerium 2010 Vertreter von WPK und von wp.net zu einem Gespräch über die Ausgestaltung des Brief-Wahlsystems ein. Das IDW war nicht dabei. Die WPK-Vertreter (Präsident Prof. Pfitzer und Beiratsvorsitzer Ulrich) forderten das personalisierte Mehrheitswahlrecht, wp.net wollte das Verhältniswahlrecht. Die WPK-Vertreter bekamen ihren Willen und wp.net bei den Wahlen 2011 100% der WP-Beiratssitze
Die ersten Briefwahlen zum Beirat der WPK waren für Juni/Juli 2011 angesetzt. wp.net organisierte einen intensiven Wahlkampf. So stellte wp.net die Legitimität der Big 4 bei der Durchführung von gesetzlichen Abschlussprüfungen in Frage:
- Schon die Tatsache, dass der Beruf in einer Big-4-Gesellschaft überhaupt ausgeübt werden darf, steht im Widerspruch zu den hehren Grundsätzen der Abschlussprüfung als öffentliches Amt ... Um die Eigenverantwortlichkeit zu dokumentieren, wird die Prüfungsarbeit [in den Big 4] bürokratisiert und an Checklisten ausgerichtet ... [was] die Moral der vereidigten Abschlussprüfer ersetzt ... Die Enteignung des Individuums auf ein autonomes moralisches Prüfungsurteil, die sich in der gesetzlichen Forderung nach Eigenverantwortlichkeit manifestiert, muss rückgängig gemacht werden. (wp.net Journal 1/2011)
Der Wahlkampf hat den WP-Berufstand stark polarisiert. wp.net problematisierte die engen Verbindungen zwischen dem IDW, der WPK und den Big 4. Deren Vertreter warfen der WPK vor, die Interessen des gesamten Berufsstandes nicht neutral zu vertreten und die Zahl der durch die Qualitätskontrolle aus dem Markt ausgeschiedenen Wirtschaftsprüfungs-gesellschaften und Einzelpraxen absichtlich zu niedrig anzusetzen.
Erstmals konnte der gesamte Berufsstand der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer seine Stimmen ohne Berlinreise oder Vollmachtserteilung selbst und geheim abgeben.
„Ausgewogene“ Ulrich-Liste gibt sich siegessicher
Das IDW, die WPK und die Big 4 blieben deswegen wohl relativ gelassen, weil sie auf ihre größeren Mitgliederzahlen und ihre bisherigen Abstimmungsergebnisse vertrauten. Ganz von der Hand zu weisen war deren Optimismus nicht, denn Gschrei war es Anfang 2011 nicht möglich, 56 Kandidaten:innen im wp.net-Mitgliederkreis zu finden. Rund 40% der Kandidaten der Gschreiliste waren (noch) keine wp.net-Mitglieder.
Zum ersten Mal seit Einrichtung der Wirtschaftsprüferkammer im Jahr 1961 gab es um die Herrschaft über und in der Wirtschaftsprüferkammer einen Wahlkampf. Die Big4 warnten in Schreiben an ihre Wirtschaftsprüfer vor Vereinigungen, „die aggressiv und einseitig Interessen vertreten“. PwC bat seine Mitarbeiter „die kleine Lästigkeit der Stimmabgabe für die Ulrichliste auf sich zu nehmen“.
IDW-Chef Naumann machte ebenfalls massiv für die Ulrich-Liste Reklame, obwohl die Mehrheit der Kandidaten:innen auf der Gschrei-Liste ebenfalls IDW-Mitglieder waren. Von der Neutralität und Unabhängigkeit des IDW-Chefs war nichts zu spüren.
Hauptargument für die Wahl der Ulrich-Liste war die Ausgewogenheit der Liste. Themen suchte man jedoch vergeblich.
Anders bei wp.net. Die beiden wp.net-Listen (WP und vBP) waren mit einem inhaltlichen Wahlprogramm angetreten. Die Qualitätskontrolle sollte zu Gunsten der Qualitätssicherung zurückgeführt werden, eine Honorarordnung sollte es geben, Kammerbeiträge gesenkt werden und gerecht sein. Mehr Unterstützung statt Aufsicht seitens der Kammer wurde gefordert sowie die Mitsprache der Kammerorgane bei den Prüfungsstandards.
Am 21. Juli 2011 verkündete der Wahlleiter Fliess das offizielle Ergebnis: wp.net gewann die erste Beiratsbriefwahl mit 52 % aller Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 50,2 %. Die Rechnung der wp.net-Liste ging auf. Die Stimmenzahl der Kandidaten:innen der Gschrei-Liste reichte von 3.474 bis 4.413 (Gschrei). Die höchste Stimmenzahl der Ulrich-Liste war 3.397.
Im WPK Magazin 3/2011 gibt es einen Bericht über das Wahlergebnis.
Nach dem Mehrheitswahlrecht wurden damit alle 51 Sitze des Beirats (und 5 Ersatzkandidaten) ausschließlich mit Vertretern von wp.net besetzt. Michael Gschrei, Gründer von wp.net, wurde im September 2011 zum Präsiden-ten der WPK gewählt. Die lebhafte Rhetorik und die Emotionen, die mit dem Konflikt in der Branche verbunden waren, hatten sich als politischer Wandel im System der Berufsaufsicht manifestiert. Die Big 4 waren "schockiert" (Big 4 Executive, Interviewpartner #6). Eine "Palastrevolte", wie sie von den Medien bezeichnet wurde, hatte jedoch nicht stattgefunden (Jahn, 2011; Wadewitz, 2011). Es waren die Briefwahlstimmen und genau das Mehrheit-Wahlrecht, das die Kollegen Pfizer und Ulrich forderten. wp.net wollte schon 2010 das Verhältniswahlrecht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ereignisse in dieser Phase eine Diskrepanz zwischen der Blending-Strategie der IGU und der alltäglichen Realität kleiner Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Einzelunternehmer aufzeigen.
Die Qualitätskontrolle, die als Instrument zur Demonstration der hohen Qualität der professionellen Dienstleistungserbringung eingeführt wurde, wurde zu einer Form der Feldsteuerung, die nicht nur die verschiedenen Arten von Berufsangehörigen sichtbar machte, sondern auch die Prüfungspraxis der kleinen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Einzelpraxen als minderwertig erscheinen ließ, stellten Prof. Lenz & Co. fest.
Dieser Moment des "Rahmenbruchs" (Feront & Bertels, 2019, S. 3) mobilisierte die Segmente der kleinen Wirtschaftsprüfer um die Gründung eines neuen Berufsverbands. Als neuer Feldakteur nahm wp.net eine Rahmenverschiebung vor, indem es einen alternativen Rahmen mobilisierte, der die Erwartungen und Erfahrungen der kleinen Wirtschaftsprüfer neu strukturierte. Das Frame Shifting verstärkte latente Spannungen innerhalb des Blended Frame und offenbarte die Unvereinbarkeit und Inkonsistenz verschiedener Elemente (z.B. Standardisierung vs. Einzigartigkeit; Kommerzialisierung vs. Professionalität), die in der ersten Phase von IDW und WPK zusammengefügt worden waren. Auf diese Weise versuchte die Frame-Shifting-Strategie von wp.net, die Identität des deutschen Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer wiederherzustellen und "die Seele der Prüfungsprofessionalität" (Hazgui & Malsch, 2019, S. 2) wiederzubeleben. Durch die Entwicklung alternativer Rahmungen zu den von der WPK und dem IDW umgesetzten Änderungen untergrub wp.net auch die Fähigkeit der IGUs des Berufsstands, ihre traditionellen Rollen zu erfüllen. Als wp.net die WPK-Wahl gewann, wurde das Feld in eine Krise gestürzt und der traditionelle Modus der Feldsteuerung wurde weggerissen.
Die im harten politischen Tagesgeschäft unerfahrene "wp.net-Truppe" sollte nicht lange Freude am totalen Wahlsieg der SMAs-Praxen haben. Nun war Schluss mit lustig. Glaubten IDW/WPK- und die Big4-Führungen bis zur Wahl 2011 die „wp.net-Plage“ durch Ignorierung und Belächeln vertreiben zu können, kamen jetzt andere Optionen gegen wp.net und ihre Vertreter zum Einsatz. Über diese neuen Optionen und über noch viel mehr berichten wir im dritten Teil der Prof. Lenz & Co.-Studie
Über diese neuen Optionen und über noch viel mehr berichten wir im dritten Teil der Prof. Lenz & Co.-Studie unter dem Titel:
Die Verschärfung der Zersplitterung des WP-Berufsstandes.
Dazu auch wieder viel Lesespaß.
Ihr Michael Gschrei
Geschäftsführender Vorstand wp.net e.V.