Inhalte der Spruchpraxis des LG Berlin

Gewaltenteilung in der Berufsaufsicht nicht gewahrt
Gewaltenteilung in der Berufsaufsicht nicht gewahrt

 

Berufsaufsichtsreform 2016 – Folgen für den Prüfer durch die Aufhebung der Firewall

Das neue Qualitätskontrollverfahren nach § 57a WPO seit 17. Juni 2016 bedeutet auch bei der Berufsaufsicht eine starke Verschärfung. Durch den Wegfall der kleinen Firewall muss der Prüfer für Qualitätskontrolle (PfQK) künftig auch im Rahmen der Berichterstattung an die Kommission für Qualitätskontrolle über Einzelverstöße an die Vorstandsabteilung Berufsaufsicht (VOBA) berichten. Die Kommission wird im Rahmen ihrer Auswertung des QK-Berichts die gemeldete Berufspflichtverletzung wahrscheinlich an die Berufsaufsicht weiterreichen, mit der Folge, dass die VOBA den Fall berufsaufsichtsrechtlich würdigt. Dann kommen möglicherweise zum Honorar des Prüfers f. QK auch noch das Bußgeld der VOBA und nicht geringe Anwaltskosten hinzu.

Stellt also der PfQK im Rahmen der QK einmalig fest, dass der Bestätigungsvermerk falsch war (z. B. es fehlte die gebotene Einschränkung des Testats), dann war diese Einzelfeststellung nach bisherigem Recht, nicht in den Bericht aufzunehmen. Die Kommission hat zwar versucht, über ihre Hinweise einen groben Pflichtverstoß (Einzelverstoß) als Mangel auszulegen. Dieser Trick über die Hintertür der Mangelauslegung war nicht immer erfolgreich. Die Berufsaufsicht durfte bei Einzelverstößen grundsätzlich nicht eingeschaltet werden.

Aufhebung der Firewall braucht rechtsstaatliche Grundsätze

 

Die wichtigen Grundsätze des LG Berlin

  1. Das mit Rügen sanktionierte fachliche Handeln (Verstoß) muss nachgewiesen werden. Die VOBA kann sich nicht auf den Bericht der Sonderuntersuchung (oder künftig auf den Qualitätskontrollbericht) stützen, also den Feststellungen des Prüfers für QK nur beitreten.
  2. Bei dem vorgeworfenen Verstoß muss es sich offensichtlich um einen unvertretbaren und groben Fehlgriff von einigem Gewicht handeln. Die Unvertretbarkeit des Handelns des beschuldigten Berufsangehörigen und die Offensichtlichkeit dieser Unvertretbarkeit müssen mit Tatsachen belegt und nachgewiesen werden. Wenn in einer Sonderuntersuchung, künftig wohl auch bei der Qualitätskontrolle, fachliche Schwächen eines Prüfungshandelns herausgearbeitet und festgestellt werden und die KfQK dies für überzeugend hält, indiziert dies noch nicht die Rügewürdigkeit des Vorgehens. Hier erinnert das LG das Berufsgericht an die eigenverantwortliche Berufsausübung.
  3. Die Darlegungen des Pflichtenverstoßes müssen konkret sein. Sie müssen an konkret belegbaren Folgen für Mandanten oder Bilanzadressaten anknüpfen. Dies sollte der häufigen Bestrafung von Dokumentationsmängeln entgegenwirken.
  4. Für die Beurteilung eines fachlichen Fehlers des Abschlussprüfers als rügewürdig muss insbesondere auch die Prüfungsumgebung bedacht werden.
    Es ist wesentlich leichter, bei einer Sonderuntersuchung (oder Qualitätskontrolle) - also nachträglich – einen Prüfungsfehler aufzuspüren, als dies einem Berufsangehörigen in einer Prüfungssituation möglich ist. Die Vorgehensweise beim Aufspüren der Mandantenfehler und der Prüferfehler unterscheiden sich extrem.
  5. Dass Gericht stellt fest: Die Möglichkeiten für eine Sonderuntersuchung (und künftig auch bei einer Qualitätskontrolle, Anm. Verf.) einerseits und für den Prüfer eines komplexen Jahresabschlusses andererseits, fachliche Fehlentscheidungen oder prüferische Unzulänglichkeiten zu erkennen und deshalb zu vermeiden, sind mithin nicht gleichwertig.
Folgen aus der Spruchpraxis für die Berufsaufsicht

 

Anwendung der richterlichen Grundsätze

  1. Die Kammer muss beginnen, Normen für prüferisches Vorgehen des Berufsangehörigen bei typischen Prüfungssituationen zu ermitteln und auch transparent zu machen. Die WPK muss alle Tatsachen, auf die sie dies stützt, belegbar anführen und nicht nur behaupten.
    Belege sind hierbei z. B. die eindeutige Kommentierung in der Literatur und die Rechtsprechung; eine klare Fixierung eines entsprechenden Standards (IDW PS oder ISA) oder unzweifelhaft - z. B. auf Grund von entsprechenden Vorgaben der WPK oder anderer berechtigter Organisationen – sog. anerkannte codes of best practice. Darunter fallen natürlich auch die IDW-Prüfungsstandards oder die ISA-Standards. (Gerade hier zeigen sich bei der Berufsaufsicht wegen ihrer fehlenden Transparenz große Defizite, da bislang die Entscheidungen des LG nur rudimentär veröffentlicht wurden, Anm. Verf.).
  2. Die Berufsaufsicht muss einen Verhaltenskatalog vergleichbarer und typischer Situationen anderer Berufsangehöriger erstellen und vorlegen. Alles andere deutet auf Willkür hin. Dabei muss die Berufsaufsicht dem beschuldigten Berufsangehörigen eine deutliche Unterschreitung des Standards nachweisen.
  3. Rügen bei fahrlässigen fachlichen Fehlern sind nicht das richtige Mittel für präventive Wirkungen. Rügen müssen auf gravierende Fälle beschränkt bleiben.
  4. Dem Berufsangehörigen muss dabei nachgewiesen werden, dass es anderen Berufsangehörigen in einer vergleichbaren Situation aus belegbaren Gründen in ihrer großen Mehrheit bewusst gewesen wäre, anders handeln zu müssen. Wenn ein Prüfer trotz mangelhafter Transparenz der geprüften Produkte einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt, dann ist die Grenze zur Rüge wohl überschritten.

Auf der Seite von wpwtach erhalten Sie zwei Beschlüsse des LG Berlin mit der Spruchpraxis.

Schlusskommentar

 

Demokratische Rechtsprechung braucht  Standards

  1. Die Grundsätze des LG Berlin müssen auch für die Beurteilung der Einzelfeststellungen im Rahmen der Qualitätskontrolle gelten.
    Die Feststellungen aus der Qualitätskontrolle (QK) sind identisch mit den Sachverhalten aus den Sonderuntersuchungen, die vom LG Berlin zu beurteilen waren und zu der Spruchpraxis geführt hat. Dies gilt seit Juni 2016 umso mehr, da darch das APAReK auch bei der QK die Firewall aufgehoben wurde.
    Damit müssen die für die Sonderuntersuchung entwickelten Grundsätze zur Ahndung von fahrlässigen Berufspflichtverletzungen analog für die Qualitätskontrolle gelten.
    Die präventive Berufsaufsicht erfordert einen anderen Beurteilungsansatz (Beseitigung statt bestrafen) für fahrlässig begangene Fehler als die anlassbezogene Berufsaufsicht bei Einzelfeststellungen. Das LG Berlin legt die richtigen Maßstäbe für die Verhältnismäßigkeit der Ahndung von Verstößen bei Sonderuntersuchungen (Prüfer von gelisteten Unternehmen) und bei Qualitätskontrollen fest.
  2. Die Satzung für Qualitätskontrolle braucht deswegen Regelungen auf der Basis der Rechtsprechung des LG Berlin und keine Arbeitsanweisungen der KfQK. Ansonsten erkennen wir einen Verstoß gegen die Gewaltenteilung vor, da die Exekutive sonst auch legislative Macht an sicht reißt. wp.net hat die Auswertung des LG-Beschlusses zum Anlass genommen, den Vorstandsentwurf der Satzung für Qualitätskontrolle um zwei Sätze zu ergänzen:
    a. Berufsaufsichtliche Sanktionen sind geboten und angemessen, wenn nachgewiesen werden kann, dass offensichtlich und konkret ein unvertretbarer, grober Fehlgriff von einigem Gewicht vorliegt.
    b. Eine Berufspflichtverletzung ist nur dann gegeben, wenn das Verhalten des Berufsangehörigen eine deutliche Unterschreitung der Standards darstellt, wie ein solches Verhalten auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse von der Gesamtheit der Berufsangehörigen geleistet wird oder jedenfalls geleistet werden kann.

Diese Anregungen von wp.net wurden vom WPK-Vorstand (Big4-, Herzig- und BvB-Listen) nicht in die Satzung f. QK übernommen.